Das bäuerliche Jahr


Sobald die Felder genügend abgetrocknet waren, begann  nach der Winterpause  die Feldarbeit von neuem. Als eine der ersten Arbeiten im neuen Jahr mußte Kunstdünger ausgeworfen werden. Vor der Einführung von Düngerstreuern mußte auch dies von Hand erledigt werden. Als Dünger kamen Kali, Thomasmehl oder Guano sowie Kalkstickstoff zum Einsatz. Zum Düngerstreuen benutzte der Bauer eine nierenförmige Wanne, die der Bauchform angepaßt und an einem Band umgehängt war. Der Bauer mußte den Acker Zeile für Zeile ablaufen und dabei mit der Hand den Dünger mit Schwung auswerfen, damit dieser möglichst gleichmäßig verteilt wurde. 

Als nächste Arbeit mußte der Acker zum Säen vorbereitet werden. Mit einer einfachen Egge wurde der Boden aufgelockert und gleichzeitig bereits ausgekeimtes Unkraut ausgerissen. Wenn der Acker auf diese Weise aufgeschafft war, konnte mit der Aussaat begonnen werden. Winterweizen und Roggen waren bereits im vergangenen Herbst ausgebracht worden, es gab noch Sommergerste, Sommerweizen und Hafer zu säen. Das Saatgut stammte meist aus der Ernte des Vorjahres. Vor der Aussaat mußte das Saatgetreide jedoch noch gebeizt werden, um es vor Pilzen und Schädlingen zu schützen. Die Beize wurde jedoch erst nach dem Ersten Weltkrieg eingeführt. 

Das gebeizte Getreide konnte nun gesät werden. Vor der Erfindung der Sämaschinen mußte auch diese Arbeit von Hand erledigt werden. Der Bauer hatte dabei das Saatgut in einem Tuch umgehängt. Wie beim Düngerstreuen mußte er den Acker ablaufen und die Körner gleichmäßig verteilen. Dies war besonders wichtig, das wertvolle Getreide sollte schließlich nicht verschwendet und zu dicht gesät werden, da die einzelnen Pflanzen Platz zum Wachsen brauchen, andererseits durften auch keine Lücken bleiben. 

Die Einführung von Sämaschinen Ende des 19. Jahrhunderts brachte eine große Arbeitserleichterung mit sich. Außerdem wurde mit diesen Maschinen das Getreide gleichmäßiger und sparsamer ausgebracht, was zu höheren Erträgen führte. Damit die Maschine problemlos funktionierte, mußte eine Person hinter dem Gespann herlaufen und aufpassen, daß die Maschine in der Spur und keine Zeile ungesät blieb, außerdem mußte achtgegeben werden, daß ständig Saatgut nachlief. Die Technik der Sämaschinen wurde allerdings stetig verbessert, die Geräte zuverlässiger, so daß später auch eine Person zur Bedienung genügte. Nach der Aussaat wurde noch einmal mit der Egge über den Acker gefahren, um die Saat zuzudecken. 

Nachdem die Getreidesaat beendet war, wurden die Rüben ausgebracht. Anfangs wurden diese nicht wie das Getreide direkt auf den Acker gesät. Die „Rangersch“ (Runkelrüben) wurden zuerst in den Garten gesät, dann die einzelnen Pflänzchen später auf den Acker gesetzt. Das hatte den Vorteil, daß mit der „Saat“ schon begonnen werden konnte, auch wenn die Rübenfelder aus Zeitgründen noch nicht mit Mist gedüngt waren. Das Düngen konnte damit noch bis kurz vor das Einpflanzen hinausgeschoben werden. Vor dem Einsetzen wurde eine Furche gezogen, in die die Pflänzchen gesteckt wurden. 

Nach der Einführung der Sämaschinen wurden auch die Rüben damit ausgebracht, es handelte sich dabei um Neuzüchtungen, die den heutigen Futterrüben entsprachen. Die „Rangersch“ verschwanden von den Feldern. Vor dem Säen mußte durch Umbauen der Maschine ein größerer Zeilenabstand eingestellt werden. Dazu wurden einfach einige der Rohre, aus denen das Saatgut normalerweise fiel, geschlossen, so daß ungefähr im Abstand von 40 cm die Rüben gesät werden konnten. 

Genau wie der Getreidesamen stammte der Rübensamen anfangs aus der Ernte des Vorjahres. Dazu wurden Rüben, die den Winter über im Keller gelagert worden waren, im Frühjahr in den Boden eingesetzt. Diese schlugen aus und produzierten auf diese Weise Samen, der  für  die Aussaat der nächsten Ernte verwendet wurde. Heute wird nur noch gekauftes Saatgut benutzt. Während der Samen für die Futterrüben selbst gewonnen werden konnte, wurde der Zuckerrübensamen von den Zuckerfabriken gekauft. 

Die nächste große Aufgabe im Arbeitsjahr des Bauern war das Kartoffellegen, das von Ende März bis Mitte April erfolgte. Früher wurden viel mehr Kartoffeln als heute angebaut. Jeder Bauer baute mindestens seinen eigenen Bedarf an, größere Bauern verkauften die Überschüsse. Die Saatkartoffeln entstammten meistens der Ernte vom Vorjahr. Früher wurden Kartoffeln mit Hilfe des Pfluges gelegt. Der Bauer fuhr mit dem Gespann voraus und zog mit dem Pflug eine Furche. Die Bäuerin lief mit einem Korb voller Saatkartoffeln hinterher. In gleichmäßigen Abständen mußte sie eine Kartoffel in die Furche fallen lassen. Um die Kartoffeln vom Wegrollen abzuhalten, wurden sie leicht festgetreten. Am Ende der Ackerlänge wendete der Bauer das Gespann und deckte mit dem Pflug die gelegten Kartoffeln zu. Später wurde das Legen mit Hilfe einer speziellen Maschine, der sog. „Markör“, erledigt, die sich aber nur größere Bauern, die viele Kartoffeln anbauten, leisteten. Dieses Gerät war eine Weiterentwicklung des herkömmlichen Pfluges. Es hatte vier Schare in einer Reihe nebeneinander. In zwei der vier gezogenen Furchen wurden die Saatkartoffeln gelegt. Dies konnte nicht mehr von einer Person alleine bewältigt werden. Bei dieser Methode kamen daher mehrere Arbeitskräfte, die die Kartoffeln legten, zum Einsatz. Beim Wenden liefen zwei der vier Schare in den beiden äußeren bereits vorhandenen Furchen. Auf diese Weise wurde ermöglicht, daß die Furchen genau parallel liefen. Wenn der Acker fertig gelegt war, mußten die Furchen mit einem Pflug, der zwischen zwei Furchen durchgezogen wurde, zugepflügt werden. Manche Bauern verwendeten dafür einen sog. „Häufelpflug“, der im Laufe des Jahres zum Aufhäufen von Erde auf den Kartoffelreihen diente. 

Als nächste Pflanze wurde der Klee gesät. Klee wurde sowohl als Reinsaat auf einem separaten Acker als auch als Untersaat zwischen Getreide ausgebracht. Sobald die Sommergerste gekeimt und die Pflänzchen eine gewisse Größe hatten, wurde mit der Sämaschine zwischen die Getreidezeilen der Kleesamen gesät. Der Klee war der Unterwuchs des Getreides, erst nach der Getreideernte konnte er sich richtig entfalten. Es war vom Wetter abhängig, ob der neu gesäte Klee im Herbst noch geschnitten werden konnte. In den darauffolgenden zwei bis drei Jahren ließ man den Klee auf dem Acker wachsen, erst dann wurde auf andere Frucht gewechselt. Angebaut wurde Rotklee („Dolleklää“), der heute nur noch sehr selten zu sehen ist und Luzerne. Diese hatte den Vorteil, daß die Pflanze mehrere Jahre auf dem Acker bleiben konnte, während der Rotklee bereits nach einem Jahr wieder umgepflügt wurde. Außerdem diente die Luzerne der Bodenverbesserung durch das Anreichern von Stickstoff aus der Luft im Boden.


Luzerne mähen

Als letzte Pflanze wurde der wärmeliebende Mais gesät. Der Mais war seit Anfang des 20. Jahrhunderts bei  uns  als Futterpflanze angebaut worden. Zum Säen wurde anfangs die normale Sämaschine verwendet, bei der wie bei den Rüben einzelne Rohre geschlossen wurden, um einen entsprechenden Zeilenabstand zu erhalten. Später wurden spezielle Maissägeräte eingeführt, diese ermöglichen einen größeren Abstand zwischen den einzelnen Pflanzen, was zur Ausbildung größerer Kolben führt und so den Wert als Futterpflanze erhöht. 

Nachdem nun alle Pflanzen gesät waren, hofften die Bauern auf günstiges Wetter, damit die Saat gut aufging. Im Frühling war es auch an der Zeit, Jauche („Mistsudl“) auf das Getreide und die Rüben zu fahren. Diese stammte aus den Jauchegruben der Höfe, in ihnen sammelten sich die Abwässer der Ställe und, bis zur Einführung der Kanalisation, auch die der Häuser. Mit Hilfe einer Handpumpe wurde die Jauche ins Jauchefaß („Mistsudelfooß“) gepumpt. Dieses Faß war aus Holz und lagerte normalerweise in der Scheune. Es wurde nur zum Jauchefahren auf den Mistwagen geladen.


Gespann mit angehängtem Jauchefass,
davor Walter Geßner

Inzwischen waren die Pflanzen auf den Feldern schon herangewachsen, mit ihnen jedoch auch das ungeliebte Unkraut. Diesem mußte vor der Einführung chemischer Unkrautbekämpfungsmittel in reiner Handarbeit zu Leibe gerückt werden. Auch noch heute muß vor allem bei den Rüben trotz Chemie  das Unkraut zum Teil von Hand entfernt werden. Vor dem Rübenbrachen wurden allerdings noch die Disteln im Getreide „gestochen“. Dazu wurde ein Stecheisen oder eine Hacke benutzt, mit der die Disteln abgehackt wurden. 

Wenn die Getreidefelder frei von Disteln waren, konnte mit dem „Brachen“ der Rüben- und Kartoffeläcker begonnen werden. Um eine gewisse Arbeitserleichterung zu erreichen und nicht unnötig viel hacken zu müssen, wurde vor dem Brachen mit einem speziellen „Brachpflug“ zwischen den Zeilen gepflügt, damit zumindest das Unkraut zwischen den Zeilen nicht mehr herausgehackt werden mußte. Nun begann die eigentliche Handarbeit. Wie auch heute noch wurde mit einer Hacke („Habe“) das Unkraut zwischen den einzelnen Pflänzchen ausgehackt, wobei es besonders bei starker Verunkrautung einer gewissen Übung bedurfte, mit dem Unkraut nicht auch noch die Rübe herauszuhacken. Stand das Unkraut zu nahe an der Pflanze, mußte es mit der Hand herausgerissen werden, dieses ständige Bücken verursachte schnell kräftige Kreuzschmerzen. 

Eine weitere Aufgabe war es, zwischen den Rüben einen einheitlichen Abstand herzustellen. Dazu mußten die zu dicht stehenden Pflanzen herausgehackt oder an Stellen, an denen die Saat nicht aufgegangen war, versetzt werden. Verbessertes Saatgut sowie modernere Sämaschinen machen diese Arbeit im Laufe der Jahre leichter, da die Rüben gleichmäßiger aufgingen. Dennoch blieb es eine langwierige und monotone Handarbeit, die bei ausgetrocknetem Boden auch stark an den Kräften zehrte. Dazu kam, daß es mit einmal brachen nicht getan war. Rübenäcker wurden meistens dreimal gehackt, bei Bedarf sogar noch öfter. 

Neben den Rüben mußten auch die Kartoffeln gebracht werden. Diese Arbeit war leichter als das Rübenbrachen. Die Kartoffelpflanzen sind stärker als die kleinen Rüben, es muß daher nicht so vorsichtig gehackt werden. Man kann bis dicht an die Pflanze heran hacken, braucht sich also nicht zu bücken. Außer dem Brachen mußten die Kartoffeln noch gehäufelt werden. Dazu wurde der „Häufelpflug“ verwendet, der wie ein Schneepflug zwischen den Zeilen die Erde auf beiden Seiten zu Wällen aufhäufte. 

In manchen Jahren verursachte der Kartoffelkäfer große Schäden. Daher mußten diese Käfer vor Einführung der „chemischen Keule“ von Hand abgelesen werden. Dies wurde von den Schulkindern erledigt. Sie hatten dazu eine mit Wasser gefüllte Dose, in in die die Käfer geworfen wurden. 

Bei schönem Wetter wurde es im Frühsommer nun Zeit für die Heuernte. Das Gras wurde bereits sehr früh am Morgen, wenn alles noch taunaß war, gemäht. Anfangs wurde dazu eine Sense benutzt, später kamen Mähmaschinen auf, die von Pferd oder Kuh gezogen wurden. Wenn das Gras gemäht war, mußte es so lange liegen bleiben, bis es von der Sonne getrocknet war. Damit die Sonne auch das untere Gras trocknen konnte, mußten die Schwaden mit dem Rechen gewendet werden. Wenn das Gras trocken genug war, wurde es zu langen Schwaden zusammengerecht. Mit dem Leiterwagen wurde das Heu lose nach Hause gefahren, wo es Schicht für Schicht in der Scheune gelagert wurde. 

Neben dem Heu mußte auch noch Klee gemäht, getrocknet und heimgefahren werden. Klee wurde im Gegensatz zum Heu für längere Zeit zum Trocknen auf dem Acker gelassen. Bis zur Jahrhundertwende wurde er dazu einfach auf Haufen getürmt, später kamen die noch heute gebräuchlichen Kleeböcke auf. Diese bestanden aus drei Fichtenstangen, die an der Spitze verbunden waren. Außerdem trugen diese Längsstangen ungefähr einen halben Meter über dem Boden jeweils einen Eisenring, in den die Querstangen eingeführt wurden. Beim Kleeaufbocken wurde viel Wert auf das Aussehen der Böcke gelegt. Man wollte sich schließlich nicht mit mißgestalteten Böcken vor den Nachbarn blamieren. Keinesfalls sollten die Böcke einfallen. Daher wurde bereits beim Aufbauen des Gerüsts darauf geachtet, daß eines der drei Beine nach Osten zeigt, um so eine gewisse Sicherheit gegen die bei uns vorherrschenden Westwinde zu haben. 

Wenn der Klee nach einigen Wochen fertig getrocknet war, wurden die Böcke umgeworfen und der Klee mit dem Leiterwagen heimgefahren. Dort wurde er als wertvoller Wintervorrat in der Scheune eingelagert. Heute sieht man nur noch wenige Kleeböcke auf den Äckern. Der Klee hat an Bedeutung als Wintervorrat verloren, an seine Stelle ist Silomais getreten.


Richard Raps sen. mit Bulldog und Binder

Nachdem nun also das Heu und der Klee eingefahren waren, ging es mit großen Schritten der Getreideernte entgegen. Wenn das Getreide trocken genug war, das heißt, wenn die Körner fest genug waren, konnte mit der Ernte begonnen werden. Anfangs wurde das gesamte Getreide mit Sense oder Sichel geschnitten. Diese Aufgabe fiel dem Bauer oder Knecht zu. Die Frauen mußten das geschnittene Getreide mit Strohseilen zu Garben zusammenbinden. Als Hilfsmittel diente dazu ein sog. „Bindenagel“. 

Bis zum Ende des vorigen Jahrhunderts wurde auf diese Weise das Getreide geerntet. Als erste technische Neuerung kam der „Ableger“. Es handelte sich dabei um eine Mähmaschine, die das Getreide abschnitt und zu Haufen ablegte. Das Binden zu Garben geschah weiterhin von Hand. Erst der „Getreidebinder“ verrichtete auch diese Arbeit. Dieser sammelte das abgeschnittene Getreide und band  es  mit Hilfe eines  mechanischen Knüpfapparates zu Garben zusammen, die dann abgelegt wurden. Der erste Getreidebinder kam in Eßfeld 1921 zum Einsatz. 

Trotz technischer Neuerungen wurde der Roggen („Kora“) noch längere Zeit von Hand geschnitten, da die langen Roggenhalme zu Strohseilen geflochten wurden und daher nicht zu kurz ausfallen durfte. Nachdem die Strohseile von Sisalgarn abgelöst waren, wurde auch der Roggen mit der Maschine geerntet.


Getreideernte mit Getreidebinder
und Bulldog

Das Getreide wurde kurz vor der Reife geerntet. Die Garben mußten daher noch eine Zeitlang zum Reifen auf dem Acker bleiben. Sie wurden dazu zu Haufen zusammengetragen. Je nach Witterung standen diese Haufen etwa eine Woche auf dem Acker. War das Getreide fertig getrocknet, begann das Einfahren der Ernte. Die Garben wurden auf den Erntewagen geladen, wo eine „Legerin“ dafür sorgte, daß die Garben ordentliche Schichten bildeten und die Fuhre so einigermaßen stabil war. Wenn die Garben auf den Wagen geladen waren, erfolgte mit breiten Eisenrechen das Nachrechen. Das zusammengerechte Getreide wurde lose auf den Erntewagen geworfen.


Nachrechen des Getreides

Nachdem die Getreidefuhre zu Hause angekommen war, wurden die Garben in der Scheune abgeladen und gelagert. Auch hier war das Gabeln Männerarbeit, die Frauen mußten die Garben Lage um Lage in der Scheune ablegen. Anschließend ging es wieder aufs Feld, um die nächste Fuhre zu holen, bis schließlich das ganze Getreide in der Scheune eingelagert war.


Getreidebinder

Mit dem Einfahren der Ernte war es jedoch nicht getan, erst beim Dreschen sah man, ob die Ernte gut war. Vor Einführung der Dreschmaschine wurde das Getreide mit Dreschflegeln gedroschen. Das gedroschene Getreide wurde durch Werfen mit Handschaufeln von der Spreu getrennt („gewurft“). Erst ab 1840 wurde als Arbeitserleichterung die Putzmühle verwendet(1). Das Dreschen mit dem Dreschflegel begann bereits früh um 2 Uhr und wurde nur vom Füttern des Viehs unterbrochen. Tagelang konnte man das rhythmische Klopfen der Dreschflegel in den Scheunen hören. Roggen wurde auch später noch von Hand gedroschen, um die Halme, die zum Flechten von Strohseilen benötigt wurden, nicht zu beschädigen. Der Roggen, von dem nur wenig angebaut wurde, wurde  erst  im Winter gedroschen. 

1872 lief zum ersten Mal eine Dreschmaschine im Ort. Sie wurde von einer Dampfmaschine angetrieben. In den 20er Jahren wurde ein starker Elektromotor als Antriebsquelle eingesetzt. Die Eßfelder Bauern freundeten sich schnell mit der neuen Technik an und kauften 1873/74 selbst eine Dreschmaschine. Die anfängliche Begeisterung ließ aber schnell nach, da oft zu hektisch gedroschen wurde und dadurch viel Getreide verloren ging. Manche Bauern gingen deshalb wieder zum Dreschen mit dem Dreschflegel über, letztlich überzeugte aber doch der große Zeitvorteil der Dreschmaschine. Die Maschine der Eßfelder Bauern soll bald wieder kaputt gegangen sein. Später wurde das Dreschen von Privatunternehmern durchgeführt, die im Lohndrusch arbeiteten. Zwei Bauern besaßen eigene kleine Dreschmaschinen. 

Mit dem Dreschen wurde bei einigen Bauern bereits während der Ernte angefangen. Dieses sog. „Vordreschen“ war besonders bei großen Bauern, die nicht alles Getreide auf einmal einlagern konnten, nötig, um wieder Platz in der Scheune zu schaffen. Das übrige Getreide wurde nach der Ernte gedroschen. Nach dem „Vordreschen“ der Großbauern kamen die kleineren Bauern an die Reihe, die nur einen Tag zu dreschen hatten. Nach diesen, im Spätherbst nach der Kartoffelernte, waren schließlich wieder die Großbauern an der Reihe, um deren restliches Getreide zu dreschen, was bei manchem großen Bauern bis zu drei Tage dauern konnte. Da beim Dreschen eine große Zahl von Helfern gebraucht wurde, war dies nur über Nachbarschaftshilfe möglich. 

Man unterstützte sich gegenseitig. Das Dreschen mit der Dreschmaschine war immer ein Großereignis im sonst recht eintönigen Arbeitsjahr. Der Getreideboden mußte hergerichtet, Gabeln, Säcke und anderes Handwerkszeug vorbereitet und zurechtgelegt werden. Auch die Hausfrau hatte große Vorarbeiten zu leisten, die vielen Helfer wollten schließlich ausreichend versorgt werden. Es gab ein Essen wie es sonst nur an Kirchweih üblich war. Auch große Mengen an „Blootz“ wurden gebacken. Natürlich war auch für reichlich Bier gesorgt.


Der Dreschkasten

Die Maschine kam meistens am Vorabend des Dreschtages in den Hof. Der große Dreschkasten wurde von zwei bis vier starken Pferden oder Ochsen gezogen. Durch vielfaches Hin- und Herschieben wurde die Dreschmaschine an ihren Platz in der Scheune manövriert. Nach der Einführung der Strohpresse mußte zuerst diese an ihren Platz geschoben werden, erst danach kamen Dreschkasten und Dampfmaschine. Wenn die Maschinen endlich „gestellt“ waren, wurden von den Maschinisten die Lederriemen, die eingefettet werden mußten, an die Drehscheiben der Dampfmaschine oder später am Elektromotor und an der Dreschmaschine angepaßt. Darauf folgte ein Probelauf und die Maschine wurde verkeilt. 

In den 20er Jahren bekamen die Dreschmaschinen eine Vorrichtung, die die Spreu („Süd“) automatisch durch ein Rohr wegblies. Vorher mußte diese staubige  Arbeit von Hand mit „Südkörben“ erledigt werden. Dieses „Südrohr“ mußte nach dem „Stellen“ schließlich auch noch gelegt werden. Auf dem folgenden Foto kann man die Rohrleitung im oberen Bildabschnitt gut erkennen.


Die Bedienungsmannschaft der Dreschmaschine und die
Dampfmaschine im Hof von Eugen Schmitt

Nachdem die Maschinisten alle nötigen Wartungsarbeiten durchgeführt hatten, waren die Vorbereitungen abgeschlossen, es wurde Feierabend gemacht, um für den kommenden Dreschtag gerüstet zu sein. Am nächsten Tag wurde zeitig mit dem Dreschen begonnen. Nachdem die Helfer eingetroffen waren und alle ihren Platz eingenommen hatten, wurde die Dampfmaschine angeworfen. Meistens warfen zwei Männer die Getreidegarben aus dem „Stock“, dem Garbenaufbewahrungsplatz in der Scheune, auf die Plattform oben auf der Dreschmaschine. Dort standen meist mehrere Frauen, oft auch Kinder, die die Garben aufschnitten und an den „Einlasser“ weitergaben. Das „Einlassen“ war die schwierigste und wegen der rotierenden Dreschtrommel gefährlichste Aufgabe beim Dreschen. Sie wurde daher meist von einem der Maschinisten übernommen. Die Garben mußten möglichst gleichmäßig in die Maschine geschoben werden, da sie sonst stehen blieb. 


kurze Pause beim Dreschen

Eine weitere Arbeit gab es hinten an der Dreschmaschine. Dort mußte das ausgedroschene, leere Stroh weggeschafft werden. In den Anfangsjahren kam dieses locker, als später die Strohpressen eingeführt wurden, zu Ballen gepreßt heraus. 

Die körperlich schwerste Arbeit beim Dreschen war das Wegtragen der mit Körnern gefüllten Säcke, die ein Gewicht von fast zwei Zentnern hatten. Dazu waren meistens zwei oder drei Männer eingeteilt. Der volle Sack mußte mit Unterstützung eines Helfers und guter Technik auf die Schulter gewuchtet, über den Hof ins Haus und dann mehrere Treppen zum Dachboden getragen werden, wobei die oft engen, steilen Bodenstiegen die ohnehin kräftezehrende Arbeit noch erschwerten.


Franz Luff beim Wegtragen der Säcke
im Hof des Gasthaus Mann

Die Arbeit mit der Dreschmaschine war vor allem in der Anfangszeit durch mangelnde Sicherheitsvorkehrungen wegen der laufenden Riemen, Räder und Trommel gefährlich, es kam zu teilweise schweren Unfällen. Alles atmete auf, wenn die Arbeit getan war, das Getreide einen guten Ertrag gebracht hatte und es zu keinem Unfall gekommen war. 

Natürlich kam trotz der gebotenen Eile die Verpflegung der Helfer nicht zu kurz. Um bei Kräften zu bleiben, wurden mehrere Brotzeitpausen eingelegt. Dann strömten die 15 bis 20 Helfer ins Haus, um sich die wohlverdiente Stärkung zu genehmigen.


Die Dreschmannschaft mit den Maschinisten um 1920 im Hof von Richard Beck;
oben: Rudolf Lesch, Michael Breunig; hinten: Michael Beck,Barbara Dorsch,
Martin Lanig, –?–, –?–, Ludwig Scheuermann, –?–,–?–, Michael Feser, –?–,
Wendelin Weinberger, Lena Breunig, Rosina Beck, Maria Lang;
vordere Reihe: Emma Graf, Maria Wolz, –?–, Josef Lang, Tina Lang;
links vorne: –?–, –?–; rechts: Maschinisten

Auch die Dorfjugend kam nicht zu kurz. Die Bäuerin hatte für sie „Maschinenbröder“ gerichtet, Brote mit Butter und Marmelade bestrichen. Wenn am Abend das Dreschen beendet war, mußte noch das Vieh versorgt werden. Die Maschinisten bauten die Dreschmaschine ab und führten sie weiter zum nächsten Bauern, wo sich die Helfer am kommenden Morgen erneut zum Dreschtag versammelten. Bis alle Bauern gedroschen hatten, vergingen mehrere Monate. In Eßfeld waren teilweise zwei Dreschmaschinen gleichzeitig im Einsatz.


Das Dreschen ist beendet. Gruppenbild der Helfer im Hof von Simon Graf
um 1925

Mit der Einführung des Mähdreschers war eine enorme Arbeitserleichterung bei der Getreideernte verbunden. Das Getreide wurde nun sofort auf dem Acker gedroschen. Wenige Arbeitskräfte konnten nun die ganze Getreideernte in viel kürzerer Zeit als früher erledigen. Den ersten Mähdrescher in Eßfeld besaß 1954 Erich Eberth.


Der erste Eßfelder Mähdrescher 1954

Bei den ersten Mähdreschern wurde das Getreide direkt in Säcke gefüllt, hinten fielen die fertiggepreßten Ballen heraus.


Getreideernte; von links: Georg Bauer,Richard, Erhard, Reinhilde,
Kunigunde, Lioba und Richard Raps sen.

 

Von Mitte September bis Mitte Oktober wurden Kartoffeln geerntet. Der Kartoffelanbau hatte damals eine viel größere Bedeutung als heute, sogar die Ferien der Schulkinder wurden an der Kartoffelernte ausgerichtet. Bei der Kartoffelernte wurden die Kartoffelpflanzen mit dem „Koorscht“, einer speziellen Hacke oder mit der Misthacke herausgehauen. Die noch im Boden verbliebenen „Grumbira“ wurden von Hand ausgegraben. Die Kartoffeln wurden am Morgen herausgemacht, mittags wurden sie zusammengelesen. Eine große Arbeitserleichterung war der Kartoffelroder, der diese automatisch herausschleuderte. Damit die liegengebliebenen beim Durchfahren der nächsten Zeile nicht mit Erde zugedeckt wurden, wurde mit einem Rechen nachgerecht.


Kartoffelernte 1929

Die herausgeschleuderten Kartoffeln wurden anschließend zusammengelesen. Bei dieser Arbeit war die ganze Familie eingespannt. Die Kartoffeln wurden in Körben gesammelt und diese wiederum in Säcke gefüllt oder auf den Wagen gekippt. Die Kartoffelfuhre wurde entweder zum Händler transportiert oder in einer Kartoffelmiete (Erdloch) eingelagert. Die für den Hausgebrauch benötigten Kartoffeln wurden nach Hause gefahren. Dort mußten sie über eine Rutsche durchs Kellerfenster in den Keller befördert werden. Wenn die Kartoffeln in Säcke gefüllt worden waren, mußten diese einzeln in den Keller getragen und dort ausgeschüttet werden.


Gespann mit Kartoffelfuhre

Wenn die Kartoffeln geerntet waren, mußte noch einmal nachgeegt werden, um das welke Kartoffelkraut und auch liegengebliebene Kartoffeln zusammenzurerechen. Die restlichen Kartoffeln wurden in Säcke gefüllt, das Kartoffelkraut auf einen Haufen getürmt und angezündet. In das Feuer wurden Kartoffeln geworfen, die auf diese Weise gebraten besonders bei den Kindern beliebt waren. 

An die Kartoffelernte schloß sich die Ernte der Futter- und Zuckerrüben an. Während Zuckerrüben erst seit Ende des 19. Jahrhunderts angebaut wurden, waren Futterrüben oder Runkelrüben schon immer als Winterfutter für das Rindvieh gebräuchlich waren. Die Futterrüben wurden vor dem Füttern mit einer Schnitzelmaschine zerhäckselt und anschließend mit Süd und Häckselstroh gemischt.


Abladen der Futterrüben

Bereits im Sommer wurden die äußeren Rübenblätter zum Füttern abgebrochen („geblättert“), die eigentliche Rübenernte begann im Oktober. Die Rüben wurden mit der Hand herausgerissen, abgeklopft und paarweise entlang einer Zeile gelegt. Als nächster Arbeitsschritt mußte das Rübenkraut („Kräudi“) mit einer Hacke zielsicher abgeschlagen und auf einen Haufen geworfen werden. Anschließend konnten die Rüben auf einen Wagen geladen und abtransportiert werden. 

Die Rüben wurden zu Hause im Scheunenkeller oder auf dem Acker in einem Rübenloch gelagert. Während sie im Keller gut vor den kommenden Frösten geschützt waren, mußten sie im Loch mit Stroh und Erde bedeckt werden. Dafür war das Abladen ins Rübenloch viel einfacher als in den Keller. Die Rüben wurden einfach in die Miete gekippt, während sie zu  Hause einzeln von Hand durch ein Kellerfenster in den Keller geworfen werden mußten. Die abgeschlagenen Rübenblätter wurden heimgefahren und als letztes Frischfutter des Jahres ans Vieh verfüttert. 

Zuckerrüben stecken tiefer im Boden als Futterrüben, sie wurden daher nicht von Hand herausgerissen, sondern herausgeackert. Man benutzte dafür einen speziellen Zuckerrübenpflug, den sog. „Rübenheber“. Nachdem die Rüben aus dem Boden heraus waren, mußte vor dem Verladen ebenfalls noch das Kraut abgehackt werden. Als technische Neuerung wurde in den 30er Jahren der sog. „Köpfschlitten“ eingeführt, der bei zwei Reihen gleichzeitig das Kraut abschnitt. Danach konnten die Rüben viel leichter herausgeackert werden. Außerdem konnten so die Blätter gesondert zum Silieren oder Verfüttern abgefahren werden. 

Vor dem Bau des Trocknungswerkes in Ochsenfurt 1938 bzw. der Zuckerfabrik 1953 wurden die Rüben nach Geroldshausen zur Bahnverladung gebracht. Die Eisenbahn brachte sie schließlich zu den damaligen Zuckerfabriken. 

Nach der Ernte mußte Mist auf die abgeernteten Felder ausgebracht werden. Vor der Einführung von Kunstdünger war dies neben dem Aufstellen von Schafpferchen die einzige Möglichkeit, die Fruchtbarkeit des Bodens zu erhalten.


Rückfahrt vom Mistfahren

Das Jahr neigte sich nun dem Ende zu. Es blieb noch die Aussaat des Roggens und des Winterweizens. Schließlich mußten die Felder noch gepflügt werden. Dazu benutzte man kleine einscharige Wendepflüge. Das Ackern mit diesen war eine langwierige und monotone Arbeit, die sich über Wochen hinzog. Um ein Hektar zu ackern, brauchte man fast zwei Tage.


Ackern mit Pferdegespann;
v. l.: Rudolf Lesch, Georg Lesch 

Mit dem Winter kehrte Ruhe auf den Feldern ein. Es gab dennoch genügend Arbeiten auf dem Hof zu verrichten. Vor der Einführung von Bindegarn aus Sisal mußten aus Roggenstroh, das im Winter mit dem Dreschflegel gedroschen wurde, Strohseile „gestrickt“ werden. Dazu mußten die langen Halme mit Knoten zu einem ca. 1 bis 1,5 Meter langen Seil verknüpft werden. Die fertiggestellten Seile wurden gebündelt und für die nächste Getreideernte gelagert. Im Winter war es auch an der Zeit, Holz zu machen. In der Eßfelder Gemarkung gibt es fast keinen Wald mehr, jedoch haben einige Bauern in anderen Ortschaften Waldbesitz.


Ackern mit Kuhgespann

Eine weitere Winterarbeit war das Korbflechten. Weidenkörbe wurden bei vielen täglichen Arbeiten benötigt. Sie wurden aus Ruten geflochten, die im Herbst von Weiden geschnitten wurden. Die Frauen widmeten sich im Winter neben den täglichen Arbeiten in Haus und Stall meist Handarbeiten.

 


(1) nach: BEUSCH, M.: Chronik der Gemeinde Eßfeld, S. 13