Das Leben der jungen Dorfbewohner begann bis in die 50er Jahre im Elternhaus. Bei der Geburt war lediglich die Hebamme anwesend, der Arzt wurde nur bei Komplikationen geholt. Hebammen sind in den Matrikeln seit Anfang des 17. Jahrhunderts überliefert. Die letzte in Eßfeld tätige Hebamme war Sophie Breunig bis 1953. Später gingen die Frauen nach Giebelstadt, Würzburg oder Ochsenfurt ins Krankenhaus. Über die Ausrüstung der Eßfeder Hebamme im 19. Jahrhundert gibt eine Notiz von 1810 Auskunft: „Gerätschaften übergeben worden: 1 Spritze, 2 Brustgläser, 2 Bund Schnüre, 1 Schere, 1 Schwamm, 1 Bürste, 1 Rohr“.
Früher wurden die Neugeborenen noch am Tage der Geburt oder nach wenigen Tagen getauft, die Säuglingssterblichkeit war hoch. Die Hebamme trug das Kind in die Kirche, wo es vom Paten übernommen wurde. Außer dem Paten war nur die nächste Verwandtschaft sowie ein Kind, das die Taufkerze trug, anwesend. Die Eltern waren nicht dabei. An die Taufe schloß sich eine kleine Feier im engsten Familienkreis an. Ungefähr 14 Tage nach der Taufe ging die Mutter, bevor sie wieder in die Öffentlichkeit trat, mit Hebamme und Kind in die Kirche, wo Mutter und Kind gesegnet wurden.
Die nächste große Station im Leben des jungen Katholiken war die erste heilige Kommunion. In den Wochen zuvor bereitete der Pfarrer die Erstkommunikanten im Kommunionunterricht auf den großen Tag vor. Dieser begann, wie noch heute, mit einem Weckruf, den die Blaskapelle um 6 Uhr auf dem Geisberg spielte. Die Kinder wurden ohne Eltern von der Musik an der Schule abgeholt. Bevor sich der Zug in Richtung Kirche in Bewegung setzte, wurde vom ältesten Mädchen ein Gedicht aufgesagt und dem Pfarrer von den Jungen, dem Lehrer von den Mädchen ein Strauß Nelken überreicht. Nach dem Festgottesdienst wurde wieder zurück zur Schule gezogen.
Pfarrer Amrhein und Lehrer Martin mit den Kommunionkindern
vor 1910
Bis ca. 1925 hatten die Mädchen einen Kranz auf dem Kopf, die Buben bis in die 30er Jahre einen Hut. Nachdem das Tragen von Trachten aus der Mode gekommen war, hatten die Mädchen die noch heute gebräuchlichen weißen Kleider. Alle hielten eine Orange mit einem Rosmarienzweig und ein Tüchlein in der Hand. Wann dieser Brauch eingeführt wurde, ist nicht bekannt, auf dem alten Foto ist dies jedenfalls noch nicht der Fall.
Nach der Kirche gab es ein festliches Essen für Familie und die nahen Verwandten. Das Tischgebet wurde vom Kommunionkind gesprochen. Nach dem Essen ging man gemeinsam in die Nachmittagsandacht. Anschließend erhielt der Pfarrer von den Buben ein Geschenk, der Lehrer von den Mädchen. Auch für die Musik wurde gesammelt, wenn viel Geld zusammenkam, spielten diese die Geschenke für Pfarrer und Lehrer vom ältesten Kind aus in einem Festzug hinauf. Vom Pfarrer gab es als Dank ein Heiligenbild mit Widmung. Nach der Andacht gab es noch einmal Essen, am Abend vor dem Stall schließlich noch Kaffee und Kuchen.
Abholen der Kommunionkinder an der alten Schule Anfang der
60er Jahre
Der nächste Tag begann wieder mit einem Gottesdienst, dabei „opferten“ die Kommunionkinder ihre Kerzen, d. h. sie stellten sie auf den Altar. Später wurde eingeführt, den Kindern die Kerzen noch bis zur Fronleichnamsprozession zu belassen.
Nachmittags machten der Pfarrer und der Lehrer mit den Kindern einen Ausflug. Oft wurde nach Tückelhausen gewandert und das dortige Kloster besichtigt. Vielen älteren Eßfeldern sind die heimatkundlichen Vorträge von Pfr. Amrhein, der ein hervorragender Kenner der Heimatgeschichte war, noch in Erinnerung. Auch nach Ochsenfurt wurde gewandert, anschließend eine Stadtführung gemacht und in ein Gasthaus eingekehrt.
Kommunionkinder 1930: hinten vlnr.: Jakob Wachter, Martin
Beusch, Richard Kolb, Hans Vogt, Edmund Graf, Ludwig Imhof; vorne vlnr.:
Magdalena Breunig, Helene Beusch, Gunda Breunig, Rita Zehnter, Hilde Fuchs,
Adelheid Lanig
Nächster Höhepunkt im religiösen Leben war die Firmung. Diese wurde vor dem Krieg immer in Würzburg in der Michaelskirche abgehalten. Als nach dem Krieg die Würzburger Kirchen zerstört waren, fand die Firmung in Ochsenfurt statt. Nach der Firmung wurde in Würzburg eine Stadtbesichtigung gemacht. Man ging in die Residenz und den Dom. Dies war für die Kinder früher etwas Besonderes, für viele war es der erste Besuch in „der Stadt“. Von den Firmpaten gab es ein Geschenk für die Firmlinge. Je nach finanzieller Lage erhielten die Mädchen meist eine Handtasche, Hut, Rosenkranz oder ein Gebetbuch. Die Buben erhielten eine Uhr, Schirm, Hut oder Ähnliches.
Mit dem Heranwachsen der Kinder entwickelten sich erste zarte Bande zum anderen Geschlecht. In der immer gut informierten Dorfgemeinschaft ließ sich eine Beziehung nicht lange geheimhalten, vor allem nicht, wenn diese ungewollte Folgen hatte. Eine ledige Mutter konnte in der auf Ordnung fixierten Dorfgemeinschaft nicht mit Toleranz rechnen. Wenn der Vater des Kindes sie noch rechtzeitig vor der Geburt heiratete, war das Schlimmste abgewendet, die Braut durfte allerdings nicht in Weiß heiraten. Brachte ein Mädchen jedoch ein Kind ledig zur Welt, wurde sie in der dörflichen Gesellschaft geächtet, mußte sogar in der Kirche in eine besondere Bank, das sog. „Hurenbänkle“. Daß bei der Partnersuche oft der Natur etwas nachgeholfen wurde, davon zeugen Redewendungen „Liebe vergeht, Hektar besteht“. Die Eltern versuchten eine gute Partie für ihre Kinder auszuwählen, damit „Hektar zu Hektar“ komme. Manchmal traten auch Heiratsvermittler in Aktion, die sog. „Schmuser“. Diese waren oft hauptberuflich Viehhändler, kamen also viel herum und wußten über Vermögens- und Familienstand der Familien Bescheid. Wenn die Dienste des Schmusers in Anspruch genommen wurden, vermittelte dieser ein Treffen der Heiratskandidaten an einem neutralen Ort, der vor neugierigen Blicken sicher war. Führte seine Vermittlung zum Erfolg, erhielt er eine Gebühr und wurde auch auf die Hochzeit eingeladen. Über seine Arbeit soll sich ein Vertreter dieser Zunft einmal folgendermaßen geäußert haben: „Ich habe viel Geld verdient, weil ich ein Paar zusammengebracht habe. Noch mehr verdiente ich, wenn ich sie wieder auseinander bringen würde“.
Hochzeitsfoto meiner Urgroßeltern,
Franz und Apollonia Feser, geb. Körner 1907.
Die Verlobung wurde im Familienkreis gefeiert; am nächsten Tag wurden die Eheringe gekauft. Einen Polterabend gab es früher nicht, der Bräutigam feierte mit seinen Freunden den Abschied vom Junggesellendasein.
Geheiratet wurde früher meistens am Dienstag, der heute meist übliche Samstag war verpönt, da durch die ausschweifende Feier des Hochzeitsabends ein Besuch des Sonntagsgottesdienstes nicht möglich gewesen wäre.
Am Tag vor der Hochzeit wurde „Auszug“ gefeiert. Der Bräutigam oder die Braut holte den zukünftigen Ehepartner, der in den Hof einheiratete, mit einer geschmückten Chaise vom Elternhaus ab. Vom Schreinermeister, der die Möbel für die Mitgift hergestellt hatte, wurde ein Leiterwagen dekoriert, die sog. „Brautfuhr“. Auf diesem Brautwagen waren die Möbel und Kisten der Braut oder des Bräutigams kunstvoll aufgebaut. Vorne stand ein Canapée, auf dem ein Mädchen aus der Verwandtschaft Platz nahm. Der Schreiner begleitete die Brautfuhr und stellte die Möbel auf. Besonders bei auswärtigen Eheleuten wurden die Brautwägen genau von den Leuten begutachtet, um abschätzen zu können, ob diese auch „etwas mitbrachten“. Den Brauch der Brautfuhren gab es in Eßfeld bis in die 20er Jahre. Die Brautfuhre wurde am Nachmittag des Auszugstages zum Besichtigen im elterlichen Hof aufgestellt. Der Brautwagen verließ das Dorf oder den Hof zuerst, später folgte das Brautpaar mit der Chaise, mußte aber vor der Fuhre am Bestimmungsort eintreffen. Am Abend war auf dem Rathaus Ziviltrauung, anschließend feierte man im engsten Familienkreis.
Am nächsten Morgen reiste die Verwandtschaft an. Brautpar und Gäste zogen in einem Festzug, der bei reicheren Bauern von der Blasmusik begleitet wurde, zur Kirche.
Nach der Trauung wurde der Hochzeitszug am Kirchhofstor von der Dorfjugend mit einem gespannten Seil aufgehalten. Erst nachdem der Bräutigam reichlich Kleingeld geworfen hatte, wurde der Weg wieder freigemacht. Wenn der Hochzeitszug im Hof eintraf, wurden von mehreren Schützen zu Ehren der Jungvermählten Salut geschossen.
Beim anschließenden Hochzeitsessen wurde festlich aufgedeckt, die Gäste sollten sehen, was Haus und Hof zu bieten hatten. Zur Unterhaltung spielten meist einige Musikanten, die mit Tanzmusik für Stimmung sorgten. Reichere Bauern ließen sogar Musiker von auswärts kommen. Die Musikanten spielten normalerweise in der Stube, bei schönem Wetter manchmal auch im Hof.
Hochzeitsgesellschaft vor dem Ersten Weltkrieg
(wahrscheinlich im Hof von Eugen Schmitt)
Bauernhochzeiten dauerten meist zwei Tage. Am Vormittag des zweiten Tages wurden die Geschenke zusammengespielt. Mit Musikbegleitung zog der Hochzeitszug mit Brautpaar und Gästen durch das Dorf, wobei die Gäste die Geschenke mittrugen. Vor dem Zug lief ein Familienmitglied mit einem Krug Wein her, den er an die Zuschauer an der Straße ausschenkte. Anschließend gab es Mittagessen, bei dem wiederum fürstlich aufgedeckt wurde.
Die Hochzeit wurde in Eßfeld bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts sogar noch aufwendiger gefeiert. Die Feierlichkeiten zogen sich über mehrere Tage hin, große Mengen an Speisen und Getränken wurden konsumiert. Dies wurde erst durch eine 1641 erschienene Dorfordnung eingeschränkt. Der Bischof wendete sich scharf gegen die Auswüchse und erließ verschiedene Verordnungen hinsichtlich der Durchführung der Feiern. So durfte eine Hochzeitsfeier nicht mehr länger als zwei Tage dauern, es sollten nicht mehr Leute eingeladen werden als an vier Tischen Platz finden, außerdem durften nicht mehr als drei bis vier Gerichte aufgetragen werden.
Bis zum Zweiten Weltkrieg heirateten die Frauen noch häufig in Tracht, die Männer gaben die Tracht bereits viel früher auf.