Die Menschen im Ochsenfurter Gau zeichneten sich durch große Frömmigkeit, aber auch einen Hang zum Aberglauben aus. Dies soll im folgenden durch einige Auszüge aus einem Bericht über den Ochsenfurfurter Gau aus dem Jahre 1861 illustriert werden. Zu dieser Zeit soll Aberglaube, besonders der Glaube an Hexen, noch weit verbreitet gewesen sein.
Erst 1860 soll in Sulzdorf eine Katze, die man für den „polternden Teufel“ hielt, im Backofen verbrannt worden sein.
Außerdem hatten Wunder- oder Hexendoktoren Hochkonjunktur. Mit allerlei Zaubersprüchen und -mitteln sollten sie Krankheiten bei Tier und Mensch behandeln.
Ihre Dienste ließen sie sich häufig gut bezahlen. Wie es einem solchen Kurpfuscher in Eßfeld erging, davon erzählt der oben erwähnte Bericht: „Eine wohlverdiente aber drollige Züchtigung wurde dem hiesigen (von Ochsenfurt) Hexenbauer und Wunderdoktor Walik, der aber nicht blos bei Ungebildeten, sondern auch bei solchen, die auf hohe Bildung Anspruch machen – er wird 10 bis 15 Stunden weit und sehr häufig nach Würzburg mit der Chaise geholt – zu Theil.
Im Orte Eßfeld solle eine Kuh verhext sein, Walik mußte mehrmalige Besprechungen und Manipulationen (ausführen). Einer der Knechte, der Walik schon früher kannte und als Betrüger im Verdacht hatte, legte sich bei seiner Wiederkunft unter den Barren des ziemlich dunklen Stalls. Walik machte wieder seine Sache und Sprüche und murmelte unter anderm, die Anwesenheit des Knechtes nicht ahnend, über den Kopf des Thiers hinein: „hilfts nichts, so schad'ts nichts.“ Der Knecht ließ ihn ohne seiner Herrschaft etwas zu sagen, ruhig abziehen; außerhalb des Orts wurde er jedoch von zwei Burschen empfangen und unter der Versicherung: „hilfts nichts, so schad'ts nichts!“ tüchtig beohrfeigt. Klage hat er nicht gestellt, doch wurde die Sache allgemein bekannt, belacht, die Leute kommen deshalb von dort noch dahin, in den Ort selbst soll er aber bisher nicht mehr gegangen sein.“
Zahlreiche Naturerscheinungen oder Ereignisse wurden und werden teilweise noch heute als Vorboten von Tod und Unglück angesehen. Im folgenden sind nur einige Beispiele der schier unerschöpflichen Menge aufgeführt:
Als Zeichen eines baldigen Todesfalls in der Familie wurden betrachtet: nächtliches unerklärliches Türöffnen und -schließen, Heulen der Hunde oder Katzen, Schreien der Eulen oder Käuzchen, besonders, wenn sie nachts gegen das Fenster der Krankenstube prallen. Weitere böse Vorzeichen sind das Pochen des Holzwurms oder eine Rübe mit weißen Blättern auf dem Acker. – Wenn beim Schließen des Sargs ein Stück Kleid oder Weißzeug von der Verzierung herausschaut, stirbt bald wieder ein Mitglied der Familie.
Ein Toter darf nicht über ein Stockwerk hinauf getragen werden, dies würde ebenfalls einen weiteren Todesfall in der Familie bedeuten.
Der Glaube an bestimmte Unglückstage, besonders den 3. und 7. März, war allgemein verbreitet, ebenso an Hexen, die sich an bestimmten Tagen in Tiere verwandeln konnten.
Um sich vor dem Einfluß des Bösen zu schützen sowie bei allen möglichen Notlagen gab es zahlreiche Hausmittel:
Die Besen wurden kreuzweise aufgestellt, damit keine Hexe in Haus und Stall eindringen konnte. Zusätzlich wurden die Türstöcke mit „C + M + B“ beschrieben.
Als Mittel gegen vermeintliche Hexenmeister sollte das sog. „Läusemachen“ helfen. Dazu wurden mit Hilfe eines Federkiels durchs Schlüsselloch 7 Läuse in das Zimmer des Hexenmeisters geblasen.
Galt eine Kuh als verhext, so wurde sie heftig geschlagen, um durch ihr Schreien die Hexe anzulocken. Die erste alte Frau, die während des Stöhnens des Viehs an die Tür klopfte, mußte die Hexe sein.
Zur Erleichterung des Zahnens sollen den Kindern Leinenpäckchen umgehängt worden sein. Darin befand sich ein Mäusekopf, der einer lebenden Maus abgebissen sein mußte. Nach dem Bericht von 1861 gab es damals einen Nagelschmiedgesellen, der damit gute Geschäfte machte.
Auch zur Eheanbahnung gab es Hilfsmittel. So sollen die Mädchen in der Andreasnacht gegen das Bettbrett getreten haben mit folgendem Spruch: „Bettbrett ich tritt dich, heiliger Andreas ich bitt' dich, laß mir erscheinen, den herzallerliebsten meinen, wie er ist und wie er geht, wie er mit mir vor dem Altar steht.“
Auch wenn diese Verhaltens- und Denkweisen uns heute unverständlich und vielleicht sogar lächerlich erscheinen, wäre es nicht gerecht, die Menschen der damaligen Zeit deshalb zu verspotten. Man muß die zeitlichen Umstände des 19. Jahrhunderts berücksichtigen. Die meisten Menschen im Dorf hatten nicht die Chance, eine höhere Schulbildung zu genießen, viele Naturphänomene blieben rätselhaft. Ebenso spiegelte sich die mangelnde medizinische Versorgung und die damit verbundene Häufigkeit von Todesfällen in zahlreichen abergläubischen Handlungsweisen wider. Trotz der aufgeklärten Zeit haben sich viele Verhaltensweisen bis heute erhalten. Wer hofft beispielsweise nicht darauf, eine Sternschnuppe zu sehen, um sich etwas wünschen zu können oder ein vierblättriges Kleeblatt als Glücksbringer zu finden?