Bereits die erste Nacht des neuen Kalenderjahres war mit einem alten Brauch verbunden, dem „Pfädlesstreuen“. Bei diesem noch heute praktizierten Brauch wurde in der Nacht von Silvester auf Neujahr eine Spur aus Stroh, Süd (Getreidespreu) oder Kalk gezogen. Diese sollte heimliche Liebesbeziehungen andeuten, wurde aber öfter auch nur zum Scherz gelegt. Am nächsten Morgen waren die Kirchenleute die ersten, die der Spur folgten; für Gesprächsstoff beim Frühschoppen und Mittagessen war damit gesorgt. Ein weiterer Brauch der Silvesternacht war das Aufhängen von Strohbrezen, die die jungen Burschen an die Türen der Mädchen hängten.
Am Neujahrsmorgen gab es Neujahrsbrezen zum Frühstück, die der Bäcker eigens für diesen Anlaß gebacken hatte. Die Kinder gingen zum Taufpaten, um ein gutes neues Jahr zu wünschen, wofür es immer ein kleines Geschenk, ein Kleid, Stoff o. ä. gab.
Am 6. Januar, dem Dreikönigstag, war es üblich, an die Türstöcke des Hauses und der Ställe mit Kreide die Buchstaben „C + M + B“ (= lateinisch für „Christus segne dieses Haus“) und dazu die Jahreszahl zu schreiben, um das Jahr über Glück und Segen auf dem Hof zu haben. Die Sternsinger, die heute von Haus zu Haus ziehen, gibt es in Eßfeld erst seit dem Zweiten Weltkrieg. Um Glück und Segen für Haus und Hof zu wünschen, sagen sie folgende Sprüche auf:
Wir kommen daher aus dem Morgenland, wir kommen geführt von Gottes Hand, wir wünschen Euch ein fröhliches Jahr, Kaspar, Melchior und Balthasar.
Wir bitten Dich: Segne dieses Haus und alle, die da gehen ein und aus, verleihe ihnen zu dieser Zeit Frohsinn, Friede und Einigkeit.
Wir tun die geweihte Kreide herfür, nun laßt uns schreiben an Eure Tür, so wünschen wir Euch ein gesegnetes Jahr, Kaspar, Melchior und Balthasar.
Die Gabe vergelte der gütige Gott mit langem Leben und sanftem Tod, er schenke Euch eine glückliche Zeit von nun an bis in Ewigkeit.
Am Tag nach Dreikönig war der Tag, an dem die Dienstboten zu einem neuen Dienstherren weiterwanderten oder für ein weiteres Jahr auf dem Hof blieben. Dabei war dieser Tag nur Stichtag, die Entscheidung fiel schon früher und wurde mit dem Bauern abgesprochen. An Maria Lichtmeß (2. Februar) wurden Kerzen, die unterm Jahr bei Gewittern und Todesfällen angezündet wurden, zum Weihen in die Kirche gebracht.
Am nächsten Tag, dem Blasiustag, wurden die Blasiuskerzen geweiht. Diese wurden beim Blasiussegen den Gläubigen gekreuzt um den Hals gelegt, um sie vor Halskrankheiten, feststeckenden Fischgräten und anderen Leiden zu schützen.
Nach den Fastnachtsfeierlichkeiten begann mit dem Aschermittwoch die vierzigtägige Fastenzeit. Als Hinweis auf die Vergänglichkeit des Lebens bekam jeder Gläubige im Gottesdienst ein Aschenkreuz auf die Stirn gestreut. Die Fastenzeit wurde früher streng eingehalten, Schlemmereien und Vergnügungen waren verboten, man durfte sich nur einmal am Tag satt essen. Während der Fastenzeit war zusätzlich zum täglichen Gottesdienst mittwochs und freitags Fastenandacht.
Am 13. März war Ewige Anbetung. Von 10 Uhr bis 18 Uhr, heute von 13 bis 18 Uhr, wurde ständig gebetet. Zum Abschluß wurde ein Gottesdienst gehalten.
Am Ende der Fastenzeit zeigte der Palmsonntag den Beginn der Karwoche an. Der Palmsonntag sollte an den Einzug Jesus in Jerusalem erinnern. In den Tagen vorher wurden Palmzweige geschnitten. Diese wurden geweiht, um sie daheim an die Kreuze im Zimmer zu stecken oder im Dachboden und Stall aufzubewahren. So sollten sie Haus und Hof vor Unglück schützen. Am Palmsonntag zog der Pfarrer nach der Weihe der Palmen mit den Ministranten um die Kirche. Währenddessen wurde die Kirchentüre von innen verschlossen. Nachdem der Pfarrer mit dem Wallfahrtskreuz an die Tür geklopft hatte, wurde diese wieder geöffnet und die Prozession zog in die Kirche ein. Dieser Brauch wurde später aufgegeben, heute versammelt sich die Kirchengemeinde an der Nikolauskapelle. Nach der Palmweihe zieht die Prozession zur Kirche, wo das Hochamt gehalten wird.
Am Vorabend des Gründonnerstags richteten die Kinder ihre Osternester. In diese sollte über Nacht der Osterhase seine Eier legen. Am Gründonnerstag wurden die Nester gesucht und es herrschte helle Freude, wenn die Kinder die mit einigen gefärbten Eiern und gebackenen Hasen gefüllten Nester fanden. Der Gründonnerstag war der Beginn der Kartage. Der Sage nach flogen die Glocken an diesem Tag nach Rom, deshalb wurde während des Gottesdienstesstes am Morgen noch ein letztes Mal zusammengeläutet, danach schwiegen die Glocken drei Tage lang. Die Glöckchen der Ministranten, die diese zur Wandlung läuteten, wurden durch Klappern ersetzt. Auch die Orgel verstummte nach dem Gloria.
Die Aufgabe der Glocken übernahmen die „Kärrbuben“. Mit hölzernen Lärminstrumenten zogen sie zu den Zeiten, zu denen normalerweise die Glocken läuteten, durch das Dorf. Die „Instrumente“ wurden in Eßfeld „Kärren“ genannt, in anderen Ortschaften gibt es dafür die Bezeichnung „Ratschen“. Mit der Kärre konnte durch kreisende Bewegungen des Unterarmes ein schnarrendes Geräusch erzeugt werden, das durch ein über ein Zahnrad laufendes Holzblättchen hervorgerufen wurde. Die Kärren wurden teilweise seit Generationen weitervererbt, für deren Herstellung war der Wagner Philipp Scheuermann bekannt. Bis zu seinem Tod ließ er sich jedes Jahr an Ostern von den vorbeiziehenden Ministranten die Kärren zeigen, um mit einem „die hab' ich alle g'macht!“ seine Urheberschaft zu dokumentieren. Das Kärren lief nach genau festgelegten und seit vielen Generationen überlieferten Regeln ab. Bei „Kärrproben“, die einige Wochen vor Ostern von den Oberministranten abgehalten wurden, wurde das gleichmäßige Kärren geübt. Es sollte nämlich nicht nur ein wilder Lärm erzeugt, sondern genau im Takt „r – r – rrr“ bei „einfach“ und „r – r – rrr – rrr“ bei „doppelt“ gekärrt werden. Außerdem wurden die „Sprüchle“ geübt, die bei jeder Pause gerufen werden mußten.
Der Ablauf des Kärrens war genau festgelegt. Am Karfreitag früh um 6 Uhr trafen sich die Kärrbuben am unteren Dorfende und begannen mit ihrer Arbeit. In ordentlichen Doppel- oder Dreierreihen zogen sie durch den Ort. Nach einigen Metern hob der Oberministrant an der Spitze die Hand, worauf die Kärren verstummten und alle riefen: „Ave Maria grazia plena, so grüßte der Engel die Jungfrau Maria“. Einige ganz dreiste Jungen parodierten manchmal den Spruch, indem sie den Gruß an eine ortsansässige „Maria“ richteten, was aber meist beim Sammeln durch „Eierabzug“ bestraft wurde. Beim Bäcker wurde angehalten und jeder Ministrant erhielt einen frisch gebackenen Kipf. Nachdem durch das ganze Dorf gezogen worden war, gingen die Buben heim, um sich bis zum nächsten Einsatz auszuruhen.
Um 11 Uhr ging es weiter, begonnen wurde diesmal am oberen Dorfende. Während in der Frühe „doppelt“ und „zusammen“ gekärrt wurde, wurde nun „einfach“ gekärrt und der Trupp teilte sich in mehrere Einzelgruppen auf. Gerufen wurde: „Es ist 11 Uhr“. Bereits um 12 Uhr ging es weiter mit: „Das ist der Englische Gruß, den jeder katholische Christ beten muß“.
Eine Stunde vor dem Nachmittagsgottesdienst wurde gerufen: „Das ist das erste und zweite Mal zur Kirche“. Beim nächsten Durchlauf entsprechend: „Das ist das dritte und letzte Mal zur Kirche“.
Früher wurde zusätzlich nach der Kirche „das Leiden und Sterben Christi“ gekärrt.
Der letze Freitags-Einsatz für die Kärrbuben ist abends um 20 Uhr, dabei verkünden sie: „Das ist das Abendgebet“.
Der Karsamstag lief im gleichen Rahmen ab, zusätzlich wurde um 13 Uhr: „Es ist Feierabend“ gekärrt. Vorher wurde jedoch gegen 9 Uhr mit dem für die Buben interessantesten Teil, dem Sammeln, begonnen. Sie zogen von Haus zu Haus, wobei einer von ihnen ein Wägelchen mitführte. Nach dem Öffnen der Haustür baten sie mit dem Spruch: „Wir haben geklippert und geklappert für das Heilige Grab, darum bitten wir um eine milde Gab'“ um den Lohn für das Kärren. Früher erhielten sie dafür meistens Eier, da fast jeder Hühner besaß. Ab und zu gab es auch einen kleinen Geldbetrag; heute haben sich die Verhältnisse umgekehrt.
Es wurde in drei Gruppen gesammelt: „Hauptstraß'“, „Mittelgaß'“ und „Gäßberg“. Wenn überall gesammelt war, wurde der Ertrag verteilt. Dies wurde von den Oberministranten durchgeführt, die natürlich dafür sorgten, daß sie nicht zu kurz kamen. Während die Jüngsten mit ein paar Eiern abgespeist wurden, kam bei ihnen eine ganze Menge zusammen.
Am Karsamstag wurde von den älteren Jungen früher der „Judas“ verbrannt. Dieser Brauch wird noch heute in einigen Nachbarortschaften praktiziert. Ursprünglich wurde dabei eine Strohpuppe, die den Verräter Judas darstellen sollte, verbrannt. Später wurde nur noch ein Feuer aus alten Kränzen, die das Jahr über angefallen waren, vor der Kirche oder an der rechten Außenmauer entzündet. An diesem Feuer entflammte der Pfarrer beim abendlichen Gottesdienst die Osterkerze. Anschließend zog er damit durch die stockdunkle Kirche. Nach dem dreimaligen „Lumen Christi“ wurden die Lichter in der Kirche angebrannt bzw. das elektrische Licht eingeschaltet.
Nach der Weihe des Taufwassers erschallten im anschließenden Hochamt erstmals wieder die Glocken und die Orgel. Anschließend fand eine Auferstehungsprozession durch den Friedhof statt. Nach der Kirche nahmen einige Frauen vom inzwischen erloschenen Judasfeuer ein Stück Kohle mit nach Hause. Dieses sollte das Haus vor Unglück, insbesondere Blitzschlag, schützen. In der Nacht vom Karsamstag auf Ostersonntag legten manche Bauern einen Büschel Klee vor der Stalltüre aus, damit der „Ostertau“ darauffalle. Am nächsten Morgen erhielt dann jedes Stück Vieh vor der normalen Fütterung eine Handvoll vom Bauern. Damit sollten die Tiere vor Krankheiten geschützt werden.
Der Ostersonntag war ein hoher Feiertag, bei dem wie am Vorabend im Kirchhof gewallt wurde.
Am 30. April wurde in der Dorfmitte der Maibaum aufgestellt, einige Jahre lang auch im Hof neben dem Pfarrhaus. Die Feierlichkeiten um den 1. Mai wurden laut Erzählung älterer Ortseinwohner erst im Dritten Reich eingeführt. Heute wird der 1. Mai mit einem Fest, das von unterschiedlichen Vereinen am Maibaum oder im Bürgerhaus veranstaltet wird, gefeiert.
Am ersten Sonntag im Mai fand früher der Maitanz statt, eine der wenigen Möglichkeiten, das Tanzbein zu schwingen.
Weitere Feiertage, die meist in den Mai, den traditionellen Marienmonat, fielen, waren Christi Himmelfahrt und zehn Tage darauf Pfingsten. Am Pfingstsonntag gab es früher den Brauch des Flurumritts. Die jungen Männer ritten dabei auf geschmückten Pferden um 5 Uhr früh durch die Flur, anschließend ging es in die Kirche.
Höchster kirchlicher Feiertag der Pfarrgemeinde war das Kirchenpatrozinium St. Peter und Paul am 29. Juni. Auch am Nikolaustag soll nach alten Erzählungen früher Kirchweih gefeiert worden sein. Zum Kirchenpatrozinium war es üblich, zahlreiche Verwandte einzuladen. Diese kamen mit ihren Chaisen (Kutschen) bereits zum Festgottesdienst. Anschließend versammelte man sich an der reichgedeckten Festtafel. Der Gastgeber ließ sich dabei nicht lumpen, es wurde reichlich von den feinsten Speisen aufgetischt. Nach der Nachmittagsandacht gab es als Zugabe noch Bohnenkaffee mit allerlei Kuchen und Gebäck. Die Gäste nutzten auch die Gelegenheit, „das Werk“, den Hof des Gastgebers, zu besichtigen, weshalb an den Tagen vorher ausgiebig aufgeräumt und geputzt worden war. Nach dem Abendessen verabschiedete sich die Sippschaft und lud gleichzeitig zum Kirchenpatrozinium in ihrem Dorf ein.
Am 15. August wurde das Fest Mariä Himmelfahrt gefeiert. Aus diesem Anlaß wurden Kräuterbüschel geweiht. Die Kräuter aus diesen Würzbüscheln wurden früher bei schweren Gewittern verbrannt und das Haus damit geräuchert, um vor Blitzschlag verschont zu bleiben. Auch beim Kuhkalben sollte der Rauch der verbrannten Kräuter helfen. Die Kräuterbüschel wurden unter dem Dach aufgehängt, um so das Haus vor Unglück und besonders Blitzschlag zu schützen.
Wenn sich im Herbst die Blätter der Bäume verfärben und abfallen und die Tage immer kürzer werden, mahnen die Feiertage Allerheiligen und Allerseelen zum Gedenken an die Verstorbenen. Zu diesem Anlaß wurden die Gräber schön hergerichtet. Nach dem Nachmittagsgottesdienst an Allerheiligen wurde früher im Friedhof gewallt. Anschließend versammelte man sich am Grab der Familie, um den verstorbenen Angehörigen zu gedenken. Auch viele Familienmitglieder, die nicht mehr im Dorf wohnen, kommen zu diesem Anlaß in den Friedhof.
Am Ende des Jahres verkündeten die vier Adventssonntage das Kommen des Weihnachtsfestes. Für die Kinder war der Nikolaustag von besonderer Bedeutung. Um den heiligen Mann milde zu stimmen, mußte jedes Kind ein Gebet oder Gedicht aufsagen, was mit einem kleinen Geschenk belohnt wurde. Der Nikolaus wurde dabei meistens von einem Familienmitglied gespielt.
Der Nikolaustag war früher ein höherer Feiertag. Wie bereits oben erwähnt, wurde früher auch an Nikolaus Kirchenpatrozinium gefeiert, jedoch in kleinerem Rahmen. Auch in späterer Zeit war am Nikolaustag noch am Morgen Gottesdienst an der Nikolauskapelle.
An Weihnachten stand nicht wie heute das Schenken im Vordergrund. Die kleinen Gaben waren meist von praktischem Wert, oft Kleidung oder Schuhe. Der heilige Abend brachte vielmehr ein großes Gemeinschaftsgefühl in der Familie mit sich. Alle saßen in der Stube mit dem geschmückten Weihnachtsbaum und sangen Weihnachtslieder, bevor es am späten Abend in die Christmette ging.
Das Jahr war nun fast zu Ende. Der Silvesterabend wurde früher nicht mit dem heutigen Aufwand gefeiert. Böller sind erst nach dem Krieg aufgekommen.